Die Welt, wie sie ist

Ein Gespräch

Karl Baier: „Die Welt, wie sie ist:“ das ist eines jener „ersten Worte“, die einfach, fast zu einfach und rätselhaft zugleich klingen und die – je nachdem, wer sie hört – ganz unterschiedliche Gefühle, Bilder, Fragen und Einsichten anstoßen.

Ich möchte unser Gespräch damit beginnen, dass ich erzähle, was mir zunächst dazu einfällt. Ich frage mich, was hier wohl mit „Welt“ gemeint sein kann. Ist Welt „alles, was der Fall ist“, wie es der frühe Wittgenstein wollte? – die Gesamtheit der feststellbaren Fakten? Ich vermute, dass du nicht die so verstandene Welt im Sinn hast. Dies ist ja auch nicht die Welt, mit der wir es als Menschen und schon gar nicht als Künstler primär zu tun haben. Wittgenstein selbst sagt am Ende seines Tractatus, dass wenn alles, was man über die Fakten sagen kann, gesagt ist, die wahren Fragen des Lebens noch gar nicht berührt sind.

Leo Zogmayer: Die Welt lässt sich ja auch schwerlich in einem Traktat fassen. Traktieren wir sie also nicht.

Wenn wir die Fakten nicht fest stellen, sondern frei lassen und wenn wir uns nicht einbilden, wir könnten das Weltspiel von außen beobachten – „überfliegen“, wie der junge Wittgenstein, den du zitierst, noch meinte – kommen wir der Sache vielleicht näher. An sich sind wir ihr ja schon nahe. Sehr nahe. Wir können uns der Welt ja gar nicht entziehen. Vielleicht gelingt uns eine Art intrinsischer Betrachtung, dass wir nicht so sehr über Fakten reden und urteilen. Eventuell fallen dann auch gleich noch ein paar Antworten ab – zu den „Fragen des Lebens.“

KB: In welcher Welt haben diese Fragen denn ihren Ort? In der Philosophie unterscheidet man den gerade angedeuteten kosmologischen Weltbegriff – Welt als Gesamtheit alles Seienden – von der Lebenswelt. Mir gefällt dieses Wort „Lebenswelt“: die Welt, in der wir leben. Das ist kein Haufen von Fakten, sondern ein Zusammenhang bedeutungsvoller Situationen, die wir zu bewältigen haben, in denen wir unser Leben miteinander verbringen. Im Grunde gibt es von dieser Welt nur eine intrinsische Betrachtung, denn wir stehen ihr nie gegenüber, sondern sind in ihr drinnen wie der Fisch im Wasser.

LZ: Wenn wir die bedeutungslosen Situationen auch mit hereinnehmen, die übersehen oder vergessen oder noch nicht wahrgenommen wurden – dann wäre die Welt, von der ich gerne mit dir reden würde, schon ganz gut bestimmt. Lebenswelt hast du gesagt. Also gut, reden wir von Lebenswelt. Ich könnte die beiden, Welt und Leben, auch gar nicht gut auseinanderhalten.

KB: Ich auch nicht. Der Bezug zur Welt ist nicht etwas, das zu unserem Leben sekundär hinzukommt. Zu leben heißt gar nichts anderes als im Weltbezug da zu sein. Die Lebenswelt ist ein mehr oder weniger offener und ständig sich mit uns wandelnder Horizont, innerhalb dessen wir leben und uns bewegen. Das bringt mich zur zweiten Überlegung: was bedeutet denn „wie sie ist“ in der Formulierung „Die Welt, wie sie ist“? In welchem Sinn ist hier von „ist“, d.h. von einem Sein der Welt die Rede?

LZ: Ist-Welt und Seins-Welt sind für mich nicht dasselbe! Freud hat einmal gesagt, dass eine Beobachtung in dem Moment verschwindet, in dem wir beginnen, sie zu verarbeiten. Ist nicht jede Seinslehre nur ein Beobachten und Verarbeiten ontologischer Themen, wodurch das, was geschieht, das „ist“, wieder zum Verschwinden gebracht wird? Vielleicht braucht es wegen dieses Dilemmas neben einer systematischen, akademischen Philosophie die Kunst und essayistisches, spielerisches Philosophieren. Ist das Wortspiel frisch, bewegt es sich sozusagen authentisch im „ist“ der Welt. Da sind die Weltberührungsstellen noch nicht abgegriffen, noch nicht vergriffen. Das Problem liegt im nächsten Schritt. Wenn wir die Welt, wie sie ist beleuchten wollen, müssen wir darauf achten, dass wir sie nicht mit vorgefertigten Motiven überfahren. Dann nämlich gibt es kein „ist“ der Welt mehr, sondern wir modellieren nur mehr an mimetischen Konstrukten, an Second Lives herum. Deshalb brauchen wir Kunst – um Weltbilder zu lockern. Dass das Maschenwerk der Gedanken und Zeichen durchsichtig und von Zeit zu Zeit auch wieder ganz aufgetrennt wird. Die Herausforderung heißt also reden, ohne Reden zu halten, malen ohne feste Bildformate zu erzeugen usw. Am schönsten hat das für mich Marguerite Duras ausgedrückt. Sie sagte einmal, wenn Kunst – und das heißt bei ihr natürlich Schreiben – nicht ein flüchtiges Sprechen in den Wind ist, dann ist sie nichts, dann ist sie nichts weiter als Werbung.

KB: Da ist etwas Wahres dran. Natürlich birgt ein Diskurs über das Sein, gerade wenn er in akademischen Formen und d.h. in objektivierender Sprache daher kommt, eine Reihe von Gefahren in sich. Darüber haben wir ja schon öfter gesprochen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass wir abgegriffene Vorstellungen davon im Kopf haben, was es denn bedeutet, dass etwas ist. So identifiziert man z. B.: die Welt, wie sie ist und damit alles, was in ihr vorkommt, gerne mit dem, was an ihr wirklich ist. Dieses Wirkliche an der Welt umfasst dann das, was zufällig so ist, wie es gerade ist und darüber hinaus das, was unabänderlich so ist wie es ist, das Notwendige. Die Welt so, wie sie ist, heißt dann nicht mehr als die herrschenden Verhältnisse. Nun gehört zwar zur Welt, wie sie ist, unbestreitbar das, was an ihr wirklich ist, ebenso wie das, was an ihr notwendig ist. Die Relevanz von beidem geht uns aber erst richtig auf im Licht der Welt, wie sie möglich ist. Möglichsein ist ein Seinsmodus. Die Welt,wie sie ist, beinhaltet deshalb alles, was aus ihr werden kann, die Welt im vollen Potential ihrer unausgeschöpften Möglichkeiten. Hat nicht Musil einmal gesagt, wenn es einen Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch einen Möglichkeitssinn geben? Um die Welt, wie sie ist, zu erfahren, brauchen wir so einen Möglichkeitssinn.

LZ: Nur, wie kommen wir heran an dieses Potential? Oder was hindert uns, die unausgeschöpften Möglichkeiten zu sehen und zu nutzen? Vielleicht zu viel Voreingenommenheit. Der kulturelle Apparat, den wir geschaffen haben, fasziniert uns so sehr, dass wir viel von dem übersehen, was möglich wäre, was sich anbieten würde, es zu mögen. Die Welt wird permanent traktiert, sie würde aber vielleicht auch gerne geliebt werden.

KB: Ein Ding, einen Mensch oder die Welt mögen, bedeutet ja, sie sein zu lassen und sie damit in den Möglichkeitsraum zu rücken, ihnen eine offene Weite zu geben, in der sie möglichst unbeeinträchtigt in Erscheinung treten können. Wir können der Welt diese Weite geben, weil sie von sich aus ein offener Spielraum ist.

LZ: In einer vielleicht etwas waghalsigen Etymologie wurde einmal das lateinische mundus mit Mund in Zusammenhang gebracht. Welt nicht als festes, definierbares Ding, sondern als Öffnung, als potentielle Größe – als Loch. Ähnlich wie die Chinesen Dinge definieren oder eben nicht definieren. Das chinesische Wort für Ding, dong xi, bedeutet rückübersetzt „Ost – West“. Unglaublich! Oder? Hier wird das Ding als offene Figur ohne harte Konturen gesehen, in flüssiger, klingender Weite. Es kann sich da wie dort befinden. Oder dazwischen. Jedes Ding kommt auch von irgendwo her, ist in permanenter Veränderung, entfaltet sich in der Zeit, vergeht, hat ein Ablaufdatum. Würden wir die Welt als chinesisches Ding, als dong xi anschauen …

KB: Warte, warte! Jetzt schlägt wieder deine Sinophilie durch, die ich gut verstehe und doch nicht ganz teilen kann. Mir ist das ein wenig zu romantisch. Natürlich legt die Struktur des Chinesischen und die ursprüngliche Bedeutung seiner Zeichen bestimmte Denkmöglichkeiten nahe, die andere Sprachen so nicht haben. Die Frage ist aber, inwieweit diese Möglichkeiten ergriffen werden und den tatsächlichen Weltbezug prägen. Im alltäglichen Gebrauch sind viele der Bedeutungseigenheiten, die man beim Studium einer (fremden) Sprache mit Staunen entdeckt und hervorhebt, ja ganz abgeschliffen. Und eines kommt noch hinzu: Warum fällt uns gerade dies und jenes an einer anderen Kultur besonders auf und anderes nicht? Oft deshalb, weil wir mit etwas in unserer Kultur, z. B.: mit einer bestimmten Weise die Dinge zu verstehen, unzufrieden sind. Das allein reicht in der Regel aber nicht aus. Meist kommt noch hinzu, dass in der eigenen Kultur schon welcome structures existieren; Ansätze, die dem Denken der anderen Kultur entgegenkommen, Konzepte, die in eine ähnliche Richtung gehen. Ein Denken der Dinge als offene Figuren und ereignishafte Prozesse, dafür gibt es Beispiele in der neueren westlichen Philosophie in Richtungen, die einen bestimmten traditionellen Substanzbegriff kritisieren, wie etwa die Prozessphilosophie und die Philosophie des Dings beim späten Heidegger. Oder denk nur an das Konzept des offenen Kunstwerks, das im 20. Jahrhundert so wichtig wurde und das auch für deine Arbeit von Bedeutung ist. Wer von diesen Strömungen beeinflusst ist, dem sagt der chinesische Ausdruck dong xi natürlich etwas.

LZ: Du hast gewiss recht mit deinem Einwand, dass auch bei uns gelegentlich „chinesisch“ gedacht wurde und wird. Heidegger hat ja vorgeführt, wie Sprache mittels Sprache entsperrt werden kann. Doch jede Aussage, die feste Substanzen in Frage stellt, müssen wir gegen den Widerstand des Betriebssystems „Abendländische Sprache“ erstellen. Fernöstliche Sprachen sind eher free ware, unsere Sprachprogramme sind enger gestrickt. Das ließe sich bis ins Grammatikalische und Syntaktische hinein belegen. – Weil du das Verhältnis sprachbasierter Denkoptionen zum Alltag, zum tatsächlichen Weltbezug ansprichst: in China grüßt man nicht wie bei uns mit „Wie geht es?“. Wir reflektieren das nicht, doch die Frage baut doch auf eine ziemlich elaborierte Abstraktion auf. Chinesen stellen in solchen Situationen eine andere, „lebensweltlich“ konkrete Frage: „Ni chi fan le ma?“, das heißt: „Hast du schon gegessen?“ – Ich glaube, die Chinesen haben die besseren Karten. Und sie sind gerade dabei diese auszuspielen. Die Asymmetrie der ökonomischen Verhältnisse ist keine ausreichende Erklärung für den Erfolg Ostasiens. Der liegt, glaube ich, wirklich in einer fundamental anderen Weltsicht begründet. Chinesen sind Meister der Improvisation, flexible Pragmatiker. Man übt sich permanent darin, das Potential der aktuellen Situation zu nutzen, die „Neigung der Dinge“ zu beobachten und dieser zu folgen, statt sich dogmatisch auf vorgefasste Modelle zu fixieren. – Jedenfalls lohnt sich ein „Umweg über China“, wie ihn der französische Philosoph Francois Jullien empfiehlt. Anderseits stellt sich natürlich die Frage, ob die Emerging Markets des Fernen Ostens den Spielraum, den die traditionellen asiatischen Lebensperspektiven bieten, nicht bereits überdehnt haben und bald ganz dem westlichen Modell verfallen. Das wäre schlimm. Es ist an der Zeit, die Qualitäten beider Sehweisen zusammenführen. Das sollte heute wirklich eines unserer großen Themen sein. Stattdessen diskutieren wir über Kopftücher …

KB: Ich möchte jetzt von dieser spannenden Entwicklung in der heutigen Welt nochmals auf einen allgemeineren Aspekt unseres Themas zurückkommen. Für dich besteht ein besonderer Bezug zwischen der Kunst und der Welt, wie sie ist. Oder liege ich da falsch?

LZ: Es gibt einen elementaren Traum, eine Sehnsucht, die Kunst und Künstler antreibt: die Welt zu sehen wie sie ist, im Original, nackt, nicht als mimetische Kopie – und sie zu feiern, hätte John Cage hinzugefügt: „If you celebrate it, it’s art.“ In der Kunst geht es also gar nicht darum, etwas Außerordentliches zu kreieren, es geht um die außerordentliche Wahrnehmung, um eine Wahrnehmung außerhalb der Ordnungen, die uns als Kanon kultureller Kohärenzen, als verbindliche Wahrnehmungskonventionen verordnet werden. – Wir tun uns heute insofern etwas hart mit dem Thema, als wir in den letzten Jahrzehnten so viel über den sensorischen Komplex, würde ich jetzt einmal sagen, erfahren haben. Und jetzt erklären uns die Hirnforscher, wie die Welt funktioniert …

KB: Ja, viele glauben, die Welt sei ein Konstrukt, das im Gehirn entsteht. Wenn die Welt im Gehirn ist, bleibt allerdings noch eine schwierige Frage zu beantworten: wo ist dann das Gehirn? Aber selbst wenn man nicht so einen hirnigen Materialismus predigt, sondern von der Welt als soziales oder kognitives Konstrukt redet, erweckt das bei mir den Eindruck einer Verabsolutierung des Anteils, den der Mensch mit seinen Konzeptionen am Erscheinen der Welt hat. Nachdem sich soziale, philosophische und kulturelle Strömungen schon seit einiger Zeit am liebsten als Post-Irgendwas definieren (postmodern, postkolonial, poststruktural etc.), wäre es eine gute Idee mal den philosophischen Postkonstruktivismus auszurufen und sich zu erinnern, dass Konstruieren nicht unser primärer Bezug zur Welt ist und dass auch unsere Konstruktionen schon Antworten auf eine Welt sind, die uns anspricht. If you celebrate it. Mhm. Die Welt, wie sie ist. Wir verstehen diesen Ausdruck sehr leicht im Sinn eines prosaischen Aussagesatzes: „So ist die Welt.“ Doch setzen wir zu Übungszwecken ein Ausrufezeichen dahinter: Die Welt, wie sie ist! Wie klingt das?

Man kann es als Ruf auffassen, – als Aufruf, der Welt gerecht zu werden, als staunender Ausruf, der sich darüber wundert, dass es sie überhaupt gibt oder eben als Lockruf, als Einladung, ihr Sein zu Feiern. Ich erfahre immer wieder, dass gerade große Kunstwerke den Sinn für die Welt im Kleinen wecken. Dass die kleinen, vorübergehenden, staubigen Dinge auf einmal zu leuchten beginnen. Im Feiern schwingt aber auch immer mit, dass das Fest ein Ende hat. Die Kostbarkeit der Welt, dass sie uns nur für eine Weile gegeben ist. Wir sind zu ihr gebracht worden und werden sie wieder verlassen. So richtig feiern kann die Welt wohl nur, wer sie loslassen kann. Was bedeutet das für die Kunst? Du hast ja einmal geschrieben, Kunst, wenn sie echt ist, sei eine Nahtoderfahrung. Was meinst du damit?

LZ: Immer wenn mich Kunst richtig erwischt, erlebe ich mich in eine ungleich vitalere Welt, sozusagen in die wirkliche Wirklichkeit versetzt. Ich vermute, dass Ludwig Wittgenstein, den wir schon mehrmals strapaziert haben, genau das meint, wenn er vom Künstler als Realisten redet, der uns nicht in einen schönen Traum einwiegen will, sondern „die Welt dadurch erlöst, dass er sie sieht, wie sie ist.“ Kunst kann ähnlich einer Nahtoderfahrung bisherige Weltdeutungen außer Kraft setzen. Wie nach einer Apokalypse sieht die Welt plötzlich ganz anders aus. Apokalypse heißt ja wörtlich Enthüllung. Das wäre wohl die Antwort auf deine Frage nach dem Unterschied zwischen Kunst und sonstiger Weltsicht. Kunst schaut unter die Hüllen, hinter die Bilder. Ziel ist das bildlose Bild. Oder daoistisch: das Bild ohne Form. Ein Satz von Laozi beeindruckt mich immer wieder: Das große Bild hat keine Form. Der Satz ist für westliche Kunstdiskurse ziemlich unbrauchbar. Er funktioniert eher als Koan. Du weißt wie die Stelle im Daodejing weitergeht: Das große Quadrat hat keine Ecken …

KB: Worin besteht deiner Meinung nach die Besonderheit oder sagen wir die besondere Chance der Kunst der Moderne in Bezug auf die Welt, wie sie ist, oder sagen wir auf das eckenlose Quadrat?

LZ: Wenn wir die Moderne als Modus der Zeitsprengung und nicht so sehr als eine historische Epoche, nicht als die jüngere Antike sehen, lässt sich ihr Potential erahnen, das sich gar nie erschöpfen kann. Ein Gutteil der Postmoderne-Diskurse denkt ja an der Radikalität der Moderne vorbei. Ich zitiere gerne eine Zeile aus einem Gedicht von René Char: „Wenn wir einen Blitz bewohnen …“ Das ist die Moderne. So gesehen erschließt die künstlerische, poetische Moderne die Welt, wie sie ist.

KB: Jetzt möchte ich doch noch mal den Kritiker in dir hervorlocken. Du gebrauchst den Begriff „Kultur“ gern als Bezeichnung eines Unternehmens, das der Kunst manchmal zum Verwechseln ähnlich sieht, aber im strengen Sinn nicht weltfähig ist. Wie meinst du das?

LZ: Die Fakultäten der Kultur – Politik, Religion, Wirtschaft, Wissenschaft – legen ihre Weltverbesserungsmodelle über den Rohstoff der Welt, bis dieser quasi unsichtbar wird. Das ist das Problem. Modellorientierte Kulturen wie unsere sehen nicht den Punkt, wo die Weltverbesserung ins Gegenteil umschlägt. Kunst setzt nicht die Weltverbesserung – etwa mit ästhetischen Tricks – fort, Kunst ent-bessert die Welt. Dass zum Vorschein kommen kann, was an ihr (noch) gut ist. Kunst ist mit Schauen und Hören beschäftigt, das ist ihre Recherche. Sie sucht das Bild vor den Bildern, entlarvt Tradition als Schlamperei, wie Gustav Mahler sagte. Dabei gerät sie in Konflikt mit der Kultur, mit „herrschenden Verhältnissen“, mit dem Establishment. Kunst sprengt Kultur weg. Das kann leise geschehen, mit simplen Gesten. Oder poetisch fein. Oder provokant, eruptiv, lautstark. Was die Kunst noch zu Tage fördert, ist der elementare Wert „Schönheit.“ Der Zusammenhang liegt auf der Hand und fügt sich in unser Thema: schön kommt von schauen. Und ich übersetze das Wort einfach mit sichtbar, was mit barer Sicht zu tun hat. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es das angeblich gar nicht, weil jede Weise des Sehens irgendwie gelernt wurde. Bares Schauen gibt es freilich nicht als etwas Isolierbares, das sich im Labor untersuchen lässt. Gleichwohl ereignet es sich. Ich bin überzeugt, dass das Schöne, das dabei aufblitzt, dieser schwer fassbare Mehrwert der Wirklichkeit, das Grundmotiv aller künstlerischen Bewegung ist.

KB: Tritt nicht ein Künstler mit dem Anspruch die Welt, wie sie ist, zu zeigen (wenn denn dies die Aufgabe der Kunst ist), als Erleuchteter auf? Als Priester einer Religion nach den Religionen?

LZ: Ich glaube nicht, dass es um einen Anspruch geht, dass da wer behauptet, etwas zu zeigen und zu machen, das anderen grundsätzlich nicht zugänglich ist. Das ist ein altes Missverständnis. Erleuchtung ist natürlich ein verdächtiges bis peinliches Wort. Obwohl es tatsächlich manche Künstler auch ganz entspannt in den Mund nehmen, Robert Ryman etwa oder Bruce Nauman, bei dem mich das gewundert hat. Trotzdem, wenn jemand die Welt genießt, wie sie ist, der Neigung der Dinge folgend, ohne den Anspruch zu erheben, sie zu verstehen oder sie eigenwillig verbessern zu wollen, weil er vielleicht seinen Weltaufenthalt etwas reduzierter anlegt als die meisten Zeitgenossen, einer der sagt: es ist genug. Möglicherweise nennen manche so einen dann erleuchtet. Kann schon sein.

Karl Baier, Leo Zogmayer

Wien, Juni 2011


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The World as it is

A conversation

Karl Baier: “The world as it is” is among these “first words” which may sound simple, even too simple, but enigmatic at the same time, evoking very dissimilar emotions, images, questions, and insights, depending on who the listener is. I want to open our conversation by telling you what comes to my mind first: I ask myself what could be meant by the term “world”. Is world “all that is the case” as Wittgenstein’s early work suggests? The total of all observable facts? I suppose you are not referring to this understanding of the world. It is a concept that isn’t of much concern to people in general, and even less to artists. Wittgenstein himself ends his Tractatus by stating that if everything that can be said about the facts has been said, the true questions of life remain.

Leo Zogmayer: Well, the world can hardly be summed up in a treatise, so let’s not maltreat it. Let’s refrain from assessing facts and pretending to be able to observe the world’s states of affairs from “above” as the young Wittgenstein did, whom you mentioned. Instead, let us let loose in order to come closer to the essence of things. Essentially, we are already close, very close. In fact, we simply cannot escape this world. Perhaps some kind of intrinsic reflection will help us not to talk and judge about the facts too much. This way, some answers to the “questions of life” might occur, too.

KB: But again, in which world are we actually asking these questions? Philosophy distinguishes between the cosmological concept of world – the world as a sum of all objective facts which exist – as you just indicated, and lifeworld. I like the term “lifeworld”. The world we live in. This is not an accumulation of facts but a sequence of interconnected significant situations we have to deal with together, from the beginning of our life until we leave the world. Essentially, there is only an intrinsic regard to this world. We are never in the position to face it from outside, because we are caught in it like a fish in the water.

LZ: If we were to include all those meaningless situations, which were overlooked, forgotten, or simply not observed yet, then the world I’d like to talk to you about would already be quite well defined. You called it lifeworld. Fine, so let’s talk about the lifeworld. For my part, I’d have difficulties separating life and world from another.

KB: Me too. Our relatedness to the world does not come in second place to our lives. Living means nothing else than to be related to the Wworld. The lifeworld is a more or less open – and at our pace, constantly changing – horizon, within which we live and move. This leads to the next thought: What does “as it is” in “The world as it is” stand for? What is the significance of “is” here? In which sense do we use the word “being” when we talk about the “being of the world”?

LZ: For me, the “world which is happening” and the “world as ontological entity” are not the same! Freud once said an observation vanishes the moment we start processing it. In this light, couldn’t it be that all ontology is simply the observing and processing and thus the fixation of ongoing issues? So, that which occurs, that which “is”, the event of being, is about to be dispersed again? Perhaps it is because of this dilemma that next to the systematic, academic philosophy there has to be art and an essayistic, playful way of doing philosophy. When a play of words is lively and brisk, it authentically travels the “world which is”, as long as its docking points to the world aren’t worn-out or exhausted. The problem is yet to come. If we want to examine the world as it is, we have to refrain from knocking it over with predesigned motives. Otherwise there is no “world which is” anymore, just some shaping of the world into mimetic constructions or Second Lives. This is why we need art – to loosen our conception of the world, to clear up and unwire the meshwork of thoughts and symbols from time to time. The challenge is to speak without declaiming, to paint without creating rigid picture formats, and so forth. Marguerite Duras put this very nicely when she said that art, or in her case writing, was nothing other than vanity if it was not swiftly speaking to the wind”.

KB: There is some truth in what you say. Of course, academic debates on “being”, especially those held in an objectifying language, consist of many pitfalls. We have talked about this several times. To make things worse, we have quite trite ideas about what it means for something that it is what it is. In this respect, we tend to relate the world as it is, and everything inherent to it, to what is real to it. The real includes that which is contingent and that, which is inevitable. Understood in this way the world as it is is nothing more than the actual state of affairs. Admittedly, it is undeniable that the contingent and the necessary form an integral part of the world´s being. However, the true relevance of both aspects can only unfold in the light of what is possible. Potentiality is a mode of being. Therefore, the world as it is comprises the world as it could be – the world at the full potential of its unexploited possibilities. Didn’t Musil once say if there was a sense of reality there also has to be a sense of possibility? We need this sense of possibility to experience the world as it is.

LZ: But in what ways can we approach this potential? Or, what is it that detains us from realizing and using those possibilities? Maybe we are too biased. While being so fascinated by the cultural apparatus we invented, we tend to overlook much of what could be, if only we would be fond of it. The world is being maltreated permanently. Maybe it would like to be loved for once, too.

KB: You are right. There is an intimate relation between the potential of the world and our love. To be fond of a thing, a person, or the world, means to let them be, to give them this open space of possibility for their unimpaired emergence. We can allow this space to the world because it is by itself an open scope, a potential waiting to be tapped with the power of love.

LZ: By using a somewhat farfetched etymology, Villem Flusser once related the Latin mundus with Mund (=German for mouth). So, the world was not a solid definable entity but something open, a potential quantity – a hole, much like the Chinese define or more precisely do not define things. When retranslated, the Chinese term for “thing”, dong xi, stands for “East – West”. Incredible! Right? They perceive things as loose figures without edges and form, fluid and vast. Things are located here and there, or somewhere in-between. Also, all things derive from somewhere, and they change and unfold over time, and eventually expire. If we perceived the world in terms of a Chinese thing, a dong xi …

KB: Hold on a moment! This is your sinophilia speaking again – a sentiment I understand but cannot share. For me, it is just too romantic. Clearly, the structure of the Chinese language and its characters’ original meaning allow for ways of thinking that other languages do not. But the real question is to what extent these opportunities are being seized to shape one’s actual view of the world. Many of the idiosyncrasies which one stumbles upon with amazement whilst studying a (foreign) language are, in everyday life, nothing to get excited about. And there is one more thing to add: Why is it exactly this or that about a culture that catches one’s eye and not something else? It’s partly because we aren’t satisfied with the way of understanding things in our own culture. But still, there is more to it. Usually, certain approaches and concepts which approve of another culture are already integrated in one’s own. I’m referring to what could be called welcome structures. Indeed, there are examples of perceiving things as flexible figures or eventful phenomena in contemporary Western philosophy, such as process philosophy or Heidegger, which both criticize the traditional notion of substance. Or take the idea of the open artwork which gained such importance during the 20th century, also in your work. Of course, those who are influenced by these tendencies are familiar with the Chinese dong xi.

LZ: You are definitely right about the occasional “Chinese-thinking” in our culture. After all, it was Heidegger who demonstrated how to unlock language by using language. However, we have to put up every statement that questions solid substances against our hostile operating system called occidental language. While Far Eastern languages are more like Open Source[KB1] , our linguistic programs remain closed systems. You could prove this even in grammar and syntax. Since you addressed the impact of language-based thinking on our daily lives, our actual conception of the world: Unlike us, the Chinese don’t greet each other by asking “How are you?” – which is a question we do not reflect upon, although it contains a thorough abstraction. Chinese people ask different, more lifeworld-oriented sorts of questions, such as, “Ni chi fan le ma?” – which means, “Have you eaten?”. I think the Chinese are holding the winning cards and they are about to play them. In my opinion, it’s not only the uneven distribution of economic power which explains East Asia’s success story. As for me, it has to be their fundamentally different conception of the world. The Chinese have mastered improvisation, they are flexible pragmatists steadily exercising to make the most of any given situation. They monitor the “Propensity of Things” and follow it instead of dogmatically holding on to predefined models. In any case, it pays off to take a “Detour across China” as the French philosopher Francois Jullien recommends. On the other hand, one should raise the question as to whether East Asia’s emerging markets have already reached the point of no return in exhausting the liberties traditional Asian mindsets offer. It would be bad if they had already become slaves to the Western system. Now is the time to combine the qualities of both viewpoints. This is something worth discussing nowadays, not headscarves …

KB: This development of our present day’s world is really exciting. But let’s get back to a more general aspect of this issue. For you, there is a special connection between art and the world as it is. Am I right?

LZ: There is a fundamental dream, a desire, which stimulates arts and artists: to see the world as it is, raw and naked, not as a mimetic replica, and to celebrate it. As John Cage would have said, “If you celebrate it, it’s art”. Art is not primarily about creating something extraordinary, it is rather about extraordinary perception, perception beyond those sorts of registers, that canon of cultural coherences which is imposed on us as a binding set of conventions on how to perceive. Nowadays, we struggle with this issue as we have learned so much about the neurological conditions of perception, now it’s the neurologists who are explaining the world to us …

KB: Yes, many of us believe the world is a construct of our brains. Assuming this is true and the world is in the brain, a really complex question rests unanswered: Where does this leave our brains at? Even if we do not preach such a top-heavy materialism but think of the world as a social and cognitive construct, I suppose that still absolutizes the contribution of us human beings to the emergence of the world. Since social, philosophical, and cultural movements prefer to define themselves by post-something (post-modern, post-colonial, post-structural etc.) nowadays, I think it’s time to proclaim a philosophical post-constructivism – just to remember that the operation called construction is not our most fundamental relation to the world and that even our imagined constructs are already answers to a world that speaks to us in one way or the other. If you celebrate it. Mhm. The world as it is. It is easy to misunderstand this for prose: That’s how it is. For the purpose of this exercise, we add an exclamation mark to it: The world as it is! There are multiple ways to interpret this – a challenge to live up to the world, a cry of astonishment, wondering why the world really does exist, or a siren call, an invitation to celebrate its existence. Many times I have experienced great pieces of art which create a sensitivity for the small-scaled world, pieces in which the little, passing, and somewhat dusty things suddenly begin to gleam. But there is an end to every party. All our world’s preciousness just lasts for a little while. We were brought to this world and we will be taken from it someday. And probably only those that can let go of it can celebrate it. What does this imply for the arts? You once wrote that real art was a near-death experience. What do you mean by that?

LZ: When art touches me deeply, I find myself in a far more vivid world, in a more real reality if you want. In my opinion, Ludwig Wittgenstein, whom we have leaned on heavily so far, meant exactly this when suggesting the artist was not some illusionist who wants to lure us into a beautiful dreamworld but a realist “releasing the world by perceiving it as it is”. Like a near-death experience, art can suspend earlier constructions of world. As in the aftermath of the apocalypse, suddenly the world looks completely different. Literally, apocalypse means revelation. l guess this is the answer to your question on how art and other worldviews differ from another. Art happens underneath the surface, behind the images. The objective is a nonpictorial picture. Or daoistically put: a shapeless image. An aphorism of Laozi impresses me again and again: The big picture has no form. This maxim is quite useless to Western discourses in art. It rather works as a kōan. As you know, the Daodejing continues like this: The big square has no corners…

KB: In your opinion, what constitutes the particularity or the exceptional opportunity in modernist art concerning the concept of the world as it is, or let’s say the “square without corners”?

LZ: If we conceive modernism neither as a historical epoch nor as a more recent antiquity but as a mode of disrupting time, its inexhaustible potential starts to unveil. Indeed, discourses on postmodernism tend to disregard the radical nature of modernism. I love this line from a poem by René Char, “If we live in a lightening flash…” This is modernism. Viewed in this light, it is modernism in art and poetry which reveals the world as it is.

KB: Let me try to lure out the critic in you once more. You like to use the label “culture” for a business which is easily confused with real art but is, in fact, inapt. Can you explain this?

LZ: The faculties of culture – politics, religion, economics, science – overcast the world’s natural resources with their world improvement models to the extent of making them disappear. That is the problem: model-oriented cultures like ours do not realize when the intended improvement switches to the opposite outcome. Art is not a vehicle for world improvement, say by means of aesthetic illusions. No, art de-improves the world, to make that emerge which might still be good. As part of its research, art deals a lot with looking and listening. It searches for the image beyond the image, or, exposes tradition to be sloppiness, as Gustav Mahler put it. And in doing so, conflicts with culture, “prevailing conditions”, and the establishment arise. Art blasts culture away. This can happen quietly with simple gestures. Or in poetically subtle fashion. Or provocatively, eruptively, noisily. Another thing art can bring to light is that “beauty” is an essential. It is obvious and fits the subject: schön (=German for beautiful)derives from schauen (=German for seeing). I simply translate the term as sichtbar (=visible), which stems from bare Sicht (=pure vision). From a scientific point of view, a pure vision cannot even exist because any mode of seeing is based on cultural learning processes. Of course, pure vision is nothing one could simulate in a laboratory. But still, it does exist. I am convinced the radiating beauty of it is the unquantifiable surplus value of our lifeworld and thus is key to all artistic actions.

KB: Isn’t an artist who pretends to depict the world as it is (if this was the purpose of art) acting as some sort of saviour? As a preacher of a religion in post-religious times?

LZ: It’s not about the pretense of somebody showing or making something which otherwise would be entirely inaccessible. That’s a common misconception. Enlightenment though, is a suspicious-sounding and awkward kind of term. There are some artists who use it quite frankly, such as Robert Ryman or Bruce Nauman, which, in his case, really surprised me. Nevertheless, there are people who enjoy the world as it is, follow the concept of the “Propensity of Things”, without pretending to understand or to improve the world single-handedly. People less self-absorbed than others, who might straight-forwardly say, “I’m satisfied”. Perhaps, some like to call such people enlightened. That may well be.

Karl Baier, Leo Zogmayer
Vienna, June 2011

cn

对话:如其所是的世界

卡尔•巴耶:“如其所是的世界”——它属于那种“原初性话语”,如此简单,几乎简单到极致,却又如此玄妙,不同的人听到它,会产生完全不同的感觉、画面、问题和洞见。

我想讲述一下我自己首先想到的,以此来作为我们对话的开始。首先我问自己,这句话里的“世界”一词指的是什么意思,是早期的维特根斯坦所期望的那样,世界是一切事实吗?——是所有可确定事实的总和?我猜,你所说的“世界”并不是这种意义上,这样一个世界也并不是我们作为人,或者作为艺术家首先要面对的那个世界。维特根斯坦本人在《逻辑哲学论》一书的结尾部分也写道:如果关于事实能说出的已经说尽,那么关于生命的真正问题还远未触及。

列奥•佐克迈耶:“世界”很难在一篇论文里被归纳清楚,所以我们不会以这种方式“折磨”它。当我们不是将事实固定在一个地方,而是给它以自由的空间,当我们不再臆想自己能够置身外部来观察这场世界游戏(das Weltspiel)——用你刚才引用的青年时代的维特根斯坦的话来说就是“掠过”——就会离真相更近一步。身在其中我们已经离真相很近了,非常近。我们根本不可能将自身从这个世界中抽离出去。或许我们可以获得一种内在认识,即不能以居高临下的姿态奢谈和评判事实。同时可能还会有几个答案飘然而至——关于“生命问题”的答案。

巴耶:这些问题存在于哪个世界?哲学将世界区分为两种,一种是刚才提到的宇宙论世界概念,即将世界理解为一切存在之总和,另一种是生命世界。我喜欢“生命世界”这个词,我们生活在其中的世界。它不是一堆事实,而是一种由重要情境构成的关联性,这些情境是我们需要去把握和战胜的,在其中我们的生命息息相关。从根本上说,关于这个世界的内在认识只有一种,因为我们和世界不是面对面,而是身处其中,就像鱼儿在水里。

佐克迈耶:如果我们把那些被忽视、被遗忘,甚或未被察觉的无意义的情境也放到这个概念里来,我所谈论的“世界”就有了一个很好的定义。你刚才提到生命世界,那么好吧,我们来谈谈生命世界。世界和生命,我无法将此二者泾渭分明地区分开来。

巴耶:我也不能。与世界的关联并不是附加于我们生活之外的一种次要的东西。生活不是别的,它意味着存在于世界的关联中。生命世界是一个或多或少敞开着的,始终在随我们一同变化的界域,我们在其中生活和变动。这让我联想到了第二个问题:在“如其所是的世界”这句话中,“如其所是”究竟是什么意思?这里的“是”是哪种意义上的,也就是说在此谈论的是世界的一种“存在”吗?

佐克迈耶:现实世界(Ist-Welt)和存在世界(Seins-Welt)对我来说并不一样。弗洛伊德曾经说过,从我们开始去反思某一认识的那一刻起,这个认识就消失了。每一种关于存在的理论不就是对一系列本体论命题的观察和反思吗?这种观察和反思让发生了的,让“是”即作为事件的存在重新消失不见。基于这种悖论,或许在系统的、学术性的哲学之外还需要艺术,以及一种自由随意的、游戏式的哲学思考。如果说这是个新鲜的文字游戏,可以说它的的确确处在世界所“是”当中。在这里,触碰世界的切入点还完好如初,未被玷污,而再往下走一步,问题就产生了。要想阐明“如其所是的世界”这句话的含义,我们必须注意不能凭借现成的主题一掠而过。那样的话就不再有世界的所谓“是”了,就只是在围绕模拟建构和二手生活照猫画虎。我们之所以需要艺术,是为了让世界的图像有所松动,让思维与文字之网变得清晰透明,并且可以被时不时地重新拆解。从这个意义上讲,谈论,而不是以僵化的方式谈论,描绘图像,而不是制造一成不变的图像格式,就成为了一种挑战。在我看来,杜拉斯的表述再美妙不过,她说,如果艺术——她所谓的艺术当然是指写作——不是随风飘零的絮语的话,那它便什么也不是,只是广告而已。

巴耶:真知灼见。一种关于存在的话语,尤其是当它以学术的形式、也就是以客观化的语言呈现出来时,当然会隐含着一系列的危险。之前我们经常谈到这个话题。而且更为困难的是,我们头脑中存在着一些固有的二手观念,其影响无法被忽略。例如,人们总是喜欢用世界上的真实的东西来定义世界的面目,以及世界上发生和出现的一切。这种真实性中涵盖了恰好如此的偶然际遇,也包含了不可逆转的必然情状。如其所是的世界,也就意味着现有的状况。如此说来,一个如其所是的世界无疑便包含了真实性的一面和必然性的一面。然而只有在“世界之可能所是”的映照下,我们才能洞晓二者之间的关联。可能之存在是一种存在模式。所以说,如其所是的世界包含了世界之可能成为的模样,一个蕴含尚未穷尽的无数潜在可能性的世界。穆齐尔不是曾经说过吗,如果存在一种对真实性的意识,那么必定也存在一种对可能性的意识。为了了解一个如其所是的世界,我们需要一种对可能性的意识。

佐克迈耶:而问题是,我们如何去接近这种潜在的可能性?或者说,是什么阻碍了我们发现和利用那些尚未穷尽的可能性?或许是因为太多的积习和成见。我们所创造的文化机器让我们如此着迷,以至于忽略了很多可能,很多喜爱的机会。世界总是被不断地蹂躏,但它或许也希望被爱。

巴耶:喜爱一个事物、一个人,或者喜爱世界,就意味着任由它的存在,并以此来推动它进入可能的空间,赋予它无限广度,使其尽可能以本真的面目出现。我们可以赋予世界这一广度,因为它本身就是一个敞开着的游戏空间。

佐克迈耶:根据过去的一种或许有些鲁莽的词源解释,拉丁文中的“世界”一词mundus与“嘴巴”(Mund)相关。也就是说,世界不是作为固定的、可被限定的事物,而是一个“开口”,一种潜在的尺度,一个洞。这种看法与中国人类似,他们对事物要么加以定义,要么完全不。汉语中表示“事物”的“东西”一词,翻译过来意味着“东—西”——难以置信,不是吗?在这里,事物被视为没有固定轮廓的的开放的形式,仿佛广阔的河水一样汩汩流动。既可以在此处,也可以在彼处,或者在中间某处。每个事物也都来自于某一个地方,始终处于不断的变化之中,在时间中生发、延展和消逝,有它自己存在的期限。如果我们将世界看做中国人眼中的所谓“东西”的话……

巴耶:等等、等一下!这里又流露出你的东方文化情结了,对此我很理解但不能苟同。在我看来,这有点过于浪漫主义。汉语的结构和汉字的原初含义当然更容易生发其他语言所没有的某些思维可能性。但问题在于,这些可能性在多大程度上被利用,以及对实际的世界关联发生影响。人们在学习一门语言(外语)时会发现许多令人惊奇的意义单元,于是对它们大加强调,但在日常的语言应用中,这些字眼的原初意义早已磨损殆尽了。

另外还有,引起我们注意的为什么恰恰是某种文化的这一点、而不是那一点?其中的原因往往在于,我们对自己的文化,譬如对自己文化中理解事物的某种方式不满意。但仅此一点通常还不够,多数情况下还因为我们自己的固有文化中存在着“welcome structure”,即一些契合了其他文化的思维方式,或与之相近的观念。将事物理解为敞开的形象和具有事件性质的过程,近代西方哲学的不同流派中关于这种思维的例子有很多,这些哲学流派无不以批判某种传统式的本体概念为特点,例如过程哲学(Prozessphilosophie)和海德格尔晚期提出的所谓“事物”(Ding)概念。或者只要想一想“开放式艺术作品”的理念就可以知道。这一理念在二十世纪获得了如此重要的地位,对你的创作而言也具有重要意义。受到这些流派影响的人,汉语中的“东西”一词对他来说当然会意味着什么。

佐克迈耶:我们偶尔也会以“中国方式”进行思考,你的这种反驳有一定道理。一种语言如何能通过另一种语言打破枷锁获得解放,对此海德格尔已经做过阐释。而任何一种对一成不变的本体提出质疑的论断,都必须与来自内驱系统即西方语言的阻力相抗衡。东方语言更像是一种开放式源泉(open source),与之相比我们的语言程序编织得更为紧密,这一点甚至体现在语法和句法这样的细微处。既然你谈到了以语言为基础的思维方式与日常生活、与实际的世界关联之间的关系,说到这里,在中国,人们相互问候时不是像我们这样说“过得好吗?”我们说它的时候不假思索,但这个问题却是以一种相当复杂的抽象过程为基础的。在类似场景下,中国人会向对方提出一个从“生活世界”的角度上讲非常具体的问题——“你吃了吗?”我认为,中国人在此方面棋高一着。经济状况的不对称并不能为东亚人的高明提供充分的解释依据。在我看来,真正的原因在于一种从根本上完全不同于西方的世界观。中国人是擅长即兴创造的大师,是灵活多变的实用主义者。他们在一直在练习如何挖掘和利用当下状况的潜力,观察并跟随事物的发展趋向,而不是墨守成规。无论如何,正如法国哲学家弗朗索瓦•于连(Francos Jullien)所主张的那样,“取道中国”是一种有益的方法。另一方面,当然也会自然而然地浮现出另一个问题,那就是远东的新兴市场(Emerging Markets)是否已超出了亚洲人的传统生活观所提供的空间极限,是否会在不久后完全沦为西方模式。如果是这样那将非常糟糕。现在到了将两种视角优化组合的时候了。这本应是当今欧洲社会所要探讨的重大课题之一,可我们却在喋喋不休于伊斯兰妇女的头巾……

巴耶:现在我想把话题从当今世界紧张的发展重新引回到更宽泛的讨论层面上来:对你来说,艺术与“如其所是的世界”之间是否存在一种特殊的关联?或者是我判断有误?

佐克迈耶:驱策着艺术和艺术家的,是一种基本的梦想和渴望:看到一个“如其所是”的世界,即世界的本真、赤裸的面目,而不是复制品,或者用约翰•凯奇(1912—1992,美国先锋作曲家,最著名的作品为《4分33秒》——译注)的话来说,还要为之“欢庆”——If you celebrate it, it`s art.在艺术中,重要的并不是去创造异乎寻常的东西,而在于异乎寻常的感受,即一种超越了约定俗成的文化关联和不得不遵循的感知习惯之外的感受力。在过去几十年里,我们了解了太多关于感官综合体的知识,以至于我们对这个题目的探讨稍嫌僵化。今天,人脑研究者会告诉我们,世界是如何运转的……

巴耶:对,很多人认为世界是产生于人脑中的某种结构。即使世界存在于人脑,也仍有一个难于回答的问题:那么大脑在哪里?但即使不高唱这样一种人脑唯物主义,而是将世界作为一种社会产物或认知产物来进行谈论,我还是有一种印象:人类通过自身构想对现象世界的占有被绝对化了。一度时期以来,社会学、哲学、文化领域的诸多流派都爱给自己贴上一个“后**”的标签(后现代主义,后殖民主义,后结构主义等等),在这样的情形下,大声呼唤哲学上的后建构主义并提醒人们,建构并不是我们同世界之间的首要关联,况且我们的建构本身就已经是对一个迎合我们的世界的答案。

If you celebrate it.嗯。如其所是的世界。我们很容易将这句话的意思等同于为散文中常见的一个陈述句——“世界就是如此”。但为了练习起见,我们还要在后面加上一个惊叹号:

如其所是的世界!

你可以将它理解为呼唤,理解为以正确的方式去看待世界的吁请,理解为对世界竟然存在所发出的一声惊叹,或者让他人为世界的存在一同欢呼的召唤。我常常有这样的体会,伟大的作品会在细微处激起人们对宏大世界的感觉,那些如尘芥一般微小和转瞬即逝的事物在刹那间开始闪亮。但在欢庆中,也总有一种好景不长的感觉。世界只为我们存在片刻,它是如此珍贵。我们被带到这世界上,而后很快又会离开。真正能够为这个世界欢呼的人,只有那些舍得放开它的人。这对艺术来说意味着什么?你曾经写过一句话:真实的艺术是一种濒死体验。你指的是什么?

佐克迈耶:每当我落入缪斯之手,我都感觉自己置身于一个无比生机勃勃的世界,置身于真实之中。我们多次提到的维特根斯坦,他曾经说过,艺术家就是现实主义者,他的目的不是催我们入眠,而是通过看到世界的本来面目来拯救世界,我猜他指的正是这个。

与濒死体验类似,艺术可以让所有迄今为止对世界的阐释黯然失色。仿佛世界末日来临,世界突然间完全变了样。世界末日的字面意思是“揭开面纱”,对于你提出的艺术与其他世界观之间有何区别的问题,这或许就是答案。艺术的目光透过图像进行观照。没有图像的图像是它的目的,或者用道家的话来说就是“无形之象”。老子有一句话给我印象很深:“大象无形”。对于西方艺术话语来说,这句话相当无用,它更像是一段公案。你知道,《道德经》里还有一句话叫“大方无隅”……

巴耶:在你看来,在涉及到世界的本真面目——换句话说也就是“无隅之方”——这一点上,现代艺术有何特点,或者说它所拥有的特殊契机在哪里?

佐克迈耶:当我们把现代作为一种打破时间的形式,而不是像现在这样将它视为一个历史时期,视为较晚近的古典时期,现代所具有的那种永不枯竭的力量就会显露出来。后现代话语中很大一部分都与现代的极端性擦肩而过。我常常引用勒内•夏尔的一首诗“我们居住在闪电里……”,这就是现代。如此看来,艺术的、诗意的现代揭示出了世界的本真面目。

巴耶:现在我想。你喜欢用“文化”这个概念来描述一种有时看似与艺术容易混淆,但在严格意义上并不能触及世界的活动,你指的是什么?

佐克迈耶:文化范畴的专业,诸如政治、宗教、经济、科学等等,将改造世界的模式置于世界的材料之上,直到后者变得看不见。像我们西方文化这样的面向模式的文化,看不到在哪个点上世界将事与愿违地向相反方向发展。艺术的目的不是继续改造世界——例如通过美学手段等等——艺术并不能使世界“变好”,而是使世界(仍旧)好的一面显现出来。

艺术所做的是观看和倾听,这是它的研究方法。艺术寻找图像之前的图像,揭露传统“倦怠邋遢”的面目——如古斯塔夫•马勒所说。与此同时,艺术会与文化,与主流和体制发生冲突。艺术将文化轰到一边,这个过程可以悄无声息地进行,通过很简单的姿态,可以是诗意的、微妙的,也可以是气势汹汹、一触即发和振聋发聩的;艺术还揭示出“美”的基本价值。这种关联显而易见,和我们所谈的主题相一致:“美”来自观看。我将这个词简单译为“可见”(Sichtbar),即与“纯粹的目光”(bare Sicht)有关。据说从科学的角度来看这种东西根本不存在,因为每一种看的方式都是通过学习而获得的,当然就不会存在一种纯粹的观看,作为一种单独的存在和可以在实验室里研究的对象。但它还是发生了,我相信,其中闪现的美,这种难以把握的现实之剩余价值,是一切艺术活动的基本动机。

巴耶:一个想要展示世界之本真面目(如果这是艺术所肩负的任务)的艺术家,他不会以顿悟者的身份出现吗?作为一种终极宗教的神甫?

佐克迈耶:假如一个人声称他能揭示或做出其他人根本无法理解的东西,我不相信这是一种诉求。这种误会由来已久。顿悟当然是一个可疑、甚或让人感到尴尬的词。虽然事实上有些艺术家会无比轻松地信口说出这个词——比如罗伯特•莱曼(Robert Ryman)或者布鲁斯•瑙曼(Bruce Nauman)——这一点令我惊讶。尽管如此,如果一个人享受世界的本真面目,顺应事物的倾向,而不是主张去理解世界或一厢情愿地改造世界——因为也许他把自己在世界上的短暂停留比大多数同时代人——这样一个人会说:够了。或许有的人会称之为顿悟——有这样的可能。

卡尔•巴耶,列奥•佐克迈耶
维也纳,2011年6月